Das Rätsel der alten Schriften
Stammbaum der Schriften
Die Entwicklung der Schreibkunst kann auf zweierlei Weise erklärt werden. Bei der sog. optimistischen Anschauungsweise rechnet man mit der Intelligenz und Anpassungsfähigkeit des Menschen und hält es daher für möglich, dass Schreibsysteme unabhängig voneinander erfunden und bewußt verbessert werden.
Die sog. pessimistische Anschauungsweise geht von der Schwerfälligkeit der menschlichen Gesellschaften und ihrer Abneigung gegen Neuerungen in einem feststehenden System aus. Bei dieser Theorie geht die Vielfalt der Schriften eher auf falsches Abschreiben und gelegentliche Improvisation zurück.
Die zweite Theorie scheint wahrscheinlicher, da zum Beispiel Kyrillisch und Koptisch, Armenisch und Georgisch und die Missionarsschriften für vorher ungeschriebene Sprachen in Afrika und Amerika stets nahe Kopien der jeweils geläufigsten Schrift der Zeit und des betreffenden Ortes gewesen (Griechisch, Aramäisch, Westeuropäisch), die zwar Zusätze beinhalteten, damit sie den Erfordernissen der jeweiligen Sprache genügten, aber keine grundlegenden Neuerungen waren oder enthielten. Die Sprachen Westeuropas übernahmen die lateinische Schrift, das Lateinische hatte, entweder direkt oder über das etruskische, eine frühe griechische Schrift übernommen und das Griechische selbst hatte sich des phönizischen Alphabets bedient - alle jeweils mit leichten Änderungen im Detail, aber ohne beabsichtigte Änderung im Gesamtsystem.
Daher kann man mit gewisser Berechtigung annehmen, dass es die Folge einer Entlehnung ist, wenn nachbarschaftliche Schriften nach denselben Grundprinzipien operiern. Offen Bleibt aber, ob die Schriften der frühen Bronzezeit dieselben Grundprinzipien teilten. Weil einige von ihnen noch nicht entziffert sind und andere nur aus einer späteren Periode bekannt sind, können wir das nicht sicher behaupten. Aber da sie alle dasselbe System zum Schreiben von Zahlen haben (und wo es sich nachweisen läßt, auch zum Schreiben von Brüchen) und wahrscheinlich auch alle einen Schatz phonetisch benutzter Zeichen besitzen, ist die Hypothese von einem gemeinsamen Ursprung durchaus legitim.
Stammbaum der Schriften
+ Erklärungen S. 203 - 205
Entzifferungen von alten Schriften
"Hätte es die erfolgreichen Entzifferungen der letzten beiden Jahrhunderte nicht gegeben, so wären Hebräisch und Griechisch die ältesten Sprachen, die aus der Vergangenheit zu uns sprechen könnten und unsere Vorstellung von der menschlichen Entwicklung wäre sich anders als sie es heute ist" (Vorwort S. 7)
"Entzifferungen sind Wissenschaftlern zu verdanken, zu deren Spezialgebiet die Beschäftigung mit alten Schriften gehört. Dies gilt jedoch nicht für die drei berühmtesten Entzifferungen: die Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen durch Champollion, der Keilschrift durch Rawlinson und der mykenischen Linear B-Schrift durch Ventris." (Einleitung S. 9)
"Die Entschlüsselung eines untergegangenen Schriftsystems ist nie zuvor versucht, geschweige denn erreicht worden, außer in den letzten zwei oder drei Jahrhunderten in unserem eigenen Kulturkreis." (Einleitung S. 10).
"Schriftsysteme geraten in Vergessenheit, sobald sie nicht mehr ständig angewandt werden. So gab es während der Bronzezeit im Nahen Osten mehrere verschiedene Schriftfamilien. Überlebt hat nur eine einzige: unsere eigene.
Einige Schriften wurden im 2. oder sogar schon im 3. Jahrtausend vor Christus nicht mehr benutzt. Andere blieben bis in klassisch griechische Zeiten lebendig. Die ägyptische Schrift erwies sich als besonders dauerhaft und hielt sich bis weit in unsere Zeitrechnung. die letzte uns erhaltene ägyptische Inschrift stammt aus dem 4. Jh. n. Chr." (S.11)
Die ägyptischen Hieroglyphen
Obwohl die ägyptischen Hieroglyphen noch bis in unsere Zeitrechnung hinein bekannt waren (letzte erhaltene Inschrift aus dem 4. Jh. n. Chr.), geriet auch diese Schrift irgendwann in Vergessenheit. Die einzigen Zeugnisse dieser Schrift, die Obelisken, die die römischen Kaiser in verschiedenen Städten der westlichen Welt aufgestellt hatten, wurden zerstört. (Der letzte aufrecht stehende Obelisk mit Inschrift wurde durch ein Feuer vernichtet, als Robert Guiscard im Jahre 1084 Rom plünderte. Diesen Obelisk hatte einst Augustus mitgebracht und im Jahre 10 v. Chr. auf dem Marsfeld aufstellen lassen.)
Danach gab es nur noch den Vatikanischen Obelisk (mit dem Caligula einst seinen Zirkus geschmückt hatte), aber dieser trug keine Inschrift. Sein ägyptischer Ursprung und sogar die Bezeichnung Obelisk waren vergessen.
Mit Beginn der Renaissance in der ersten Hälfte des 15. Jahrhundert wurden die klassischen Autoren wiederentdeckt, die auch Ägypten erwähnten. Es wurden zunehmend Reisen in das östliche Mittelmeer unternommen und in Europa wuchs das Interesse an Altertümern. 1419 entdeckte Buondelmonte auf der ägäischen Insel Andros das Buch Horapollos über die Hieroglyphen. Das Alte Ägypten wurde zum Forschungsgebite für die Gelehrten
Liste von römischen Autoren zum Thema Ägypten
Die obige Liste zeigt, dass nach und nach verschiedene Bücher zum Thema Ägypten publiziert wurden. Es war jedoch nicht das Ägypten der Pharaonen, sondern das Ägypten der Griechen und Römer, über das die Gelehrten der Renaissance lesen konnten. (Im Jahr 525 v.Chr. verlor Ägypten seine Unabhängigkeit an den Perserkönig Kambyses. Als der Makedonenkönig Alexander zweihundert Jahre später das persische Reich erobert wird er Herrscher über Ägypten. Nach seinem Tod begründet sein General Ptolemaios die letzte "Pharaonendynastie". 30 v. Chr. wird Ägypten dem Römischen Reich eingegliedert, bevor es im 7. Jh. von den Arabern erobert wird).
Doch im römischen Reich gab es durchaus "Ägyptomanie", die sich am stärksten auf religiösem Gebiet zeigt: In Italien wurden Heiligtümer für Isis und Serapis errichtet und der Kult wurde bis mindestens 400 n. Chr. ausgeübt. Serapis war ursprünglich von Ptolemaios I. zum Schtuzgott der neugegründeten griechischen Kolonie Alexandria erhoben worden. Das Serapeum in Alexandria wurde 391 n. Chr. von den Christen zerstört und dies bedeutet das endgültige Ende der Hieroglyphenschrift. Bis dahin hatte sie überlebt, war jedoch zum Schluß immer weniger verstanden worden. Griechen und Römer verstanden diese Schrift wohl nie, denn obwohl es verschiedene Bücher zum Thema Hieroglyphen gab, konnten in keinem die grundlegenden Prinzipien dieses Schreibsystems erklärt werden.
Warum wurde in der griechisch-römischen Literatur die Hieroglyphenschrift nicht erläutert? Es ist unwahrscheinlich, dass die antiken Autoren keinen Zugang zu den Hieroglyphen gehabt haben, denn obwohl die Priester über die Geheimnisse ihrer Schrift wachten, können nicht alle geschwiegen haben. Außerdem ist die Kenntnis der antiken Autoren, was die Bedeutung von einzelnen Hieroglyphen angeht, meist richtig, was eine völlige Unkenntnis ausschließt.
Viel wahrscheinlicher ist die Erklärung, dass eine Abhandlung über die Hieroglyphenschrift (oder auch Keilschrift, Kyprisch oder Aramäisch) durchaus möglich gewesen wäre, aber das Ergebnis hätte man nicht publizieren und somit auch nicht verwenden können. Denn wo wären die Schreiber gewesen, die dieses Werk hätten abschreiben können und wo hätte der Leser Bücher in Hieroglyphen- oder Keilschrift gefunden, um sein Wissen anzuwenden?
Was wissen wir nun von griechischen Schriftstellern über die Hieroglyphen?
Liste der Schriftsteller
Der Mensch der Renaissance hielt das Alte Ägypten für den Quell der Weisheit, denn
erstens lautete so das einüteige Zeugnis der Autoren des klassischen Altertum und
zweitens lernte sie auf fast allen Gebieten vom Alten Rom, Rom aber hatte von Griechenland gelernt. Warum sollte nicht Griechenland von Ägypten gelernt haben? Diese Auffassung bestätigten wiederum zahlreiche antike Autoren.
Wahrhaft blindes Vertrauen setzte man somit auch in den Wert der ägyptischen Schrift. Bisher hatte noch kaum jemand eine Probe davon gesehen. Ein paar aus Ägypten mitgebrachte Zeichnung, Fragmente einer Inschrift auf Teilen von Obelisken, sonst stand nichts zur Verfügung.
Die ersten Hieroglyphen, die im Druck wiedergegeben wurden, waren frei erfunden. (Roman "Hypnerotomachia Poliphili" von Francesco Colonna).
Der erste Gelehrte der Neuzeit, der ein Buch über die Hieroglyphen schrieb, war Pierius Valerianus. Er war Apostolischer Protonar unter Clemens VII. und sein Werk "Die Hieroglyphen oder Ein Kommentar zu den heiligen Schriftzeichen der Ägypter und anderer Völker" erschien erstmals 1556 in Basel.
Er zählt die Quellen und Monumente auf, die Inschriften auf den Obelisken, Reiseberichte aus Ägypten und anderen Ländern und die antiken Schriftsteller. Außerdem bringt er folgende Überlegungen vor:
Pierus geht prinzipiell so vor, dass er jedem dargestellten Gegenstand, Tier, Pflanze oder Köperteil verschiedene symbolische Bedeutungen zuweist. Als Beleg zitiert er griechische und römische Autoren und verwendet teilweise sogar Erfahrungen seiner eigenen Zeit.
Eine Inschrift, die ein Kind, einen alten Mann, einen Falken, einen Fisch und ein Flußpferd darstellt, interpretiert Pierus so: "Geburt, Alter, Leben, Tod, Zerfall -> Unsicherheit des menschlichen Lebens, das von der Kindheit zu hohem Alter und zu einer zweiten Kindheit verläuft ... Wenn die harmonische Gegensätzlichkeit, die durch ausgewogene Mischung der Säfte in unserem Körper geschaffen ist, aufzubrechen beginnt und die Elemente heftig gegeneinander zu wirken beginnen, ist der Tod die unvermeidliche Konsequenz."oder anders ausgedrückt " Jugend und Alter machen das Leben aus, und das Leben endet durch Hass und Gewalt"
Plutarch hat in seinem Werk "De Iside et Osiride" die Inschrift folgendermaßen übersetzt: "Oh jung, oh alt, Gott haßt Ungläubigkeit". Diese Übersetzung lag Pierius nicht vor, sie wurde erst später rekonstruiert.
Die folgende Illustration zeigt wie aus der Hieroglyphe "Szepter (=Stab)" durch Mißinterpretation und Phantasie die Pierus Hieroglyphe "Storch über den Klauen eines Flußpferdes" wurde.
Bild der Hieroglyphe
Im 16.Jh. erschienen 15 Auflagen des Horapollo und eine größere Zahl zeitgenössische Abhandlungen über Hieroglyphen und Symbole, die sich aber nicht mit einer Entzifferung beschäftigen, sondern mit der Symbolik an sich.
Nicolas Caussin
Dieser Jesuitenpriester schrieb ein Buch über die Weisheit Ägyptens "de symbolica Aegyptiorum sapientia", erschienen in Köln 1631. Er beschränkte sich strenger als Pierus auf die antiken Autoren und rechtfertigt in seine Vorwort ganz bewußt das Studium der Hieroglyphen. Caussin nimmt an, dass die Hebräer schon früher als die Ägypter diese Art der Symbol-Weisheit besessen hätten und Abraham, der unter den Priestern von Heliopolis gelebt und sie gelehrt haben soll, könnte ihnen dieses Wissen vermittelt haben. Die Ägypter hätten jedoch die Wissenschaft des Symbolismus am intensivsten betrieben und hätten auch die griechische Gelehrsamkeit begründet und auch Moses "ward gelehrt in aller Weisheit der Ägypter"(Apostelgeschichte 7, 22). Und dieses Wissen bestand laut Philo auch in der Kenntnis der Hieroglyphen.
Diese letzten Punkte, die für Caussin die Beschäftigung mit den Hieroglyphen rechtfertigen, sind aufs engste mit der Gegenreformation verbunden, denn Luther und seine Anhänger konnten zwar die klassischen und humanistischen Anschauungen der ägyptischen Weisheit angreifen, aber die Belege in der Bibel nicht wegdiskutieren.
Athanasius Kircher
Dieser Jesuitenpater versuchte anhand der in der Genesis und bei Horapollo zitierten ägyptischen Wörter beweisen, dass koptisch die Sprache Altägyptens gewesen sein müsse. Damit wollte er den Ketzern seiner Zeit (=Lutheraner) beweisen, dass viele der Liturgien und Dogmen, die als Erfindung der römischen Kjirche angegriffen wurden, durch einen Nachweis in der koptischen Kirche auf frühchristliche Zeiten zurückgeführt werden können.
Fast nichts was Kircher schrieb ist zuverlässig und er nahm es auch mit der Urheberschaft nicht sehr genau. In Rom wurde er jedoch anerkannter Experte für das Ägyptische.In seinem Buch über den Minervischen Obelisk schreibt Kircher: " ... die Sphinx ist bezwungen, ihre Rätsel gelöst und all die Geheimnisse der Hieroglyphenkunst, ihre Regeln, Methoden und Lehren, sind mit Gnade und Hilfe des göttlichen Geistes durch mich völlig erhellt." Dies ist eine völlige Fehleinschätzung, beispielsweise hält Kircher die in Kartuschen stehenden Hieroglyphen für "tabulae sacrae (Heilige Tafeln)" und dienten zum Beschwören verschiedener Dämonen.
Kirchers Phantastereien forderten Widerspruch heraus, was die Diskussion ungemein belebte.
Lorenzo Pignorio
Diese klassische Philologe veröffentlichte 1605 die Tabula Bembina, neben den Obelisken das berühmteste ägyptische Kunstwerk der damaligen Zeit.Die bronzene Tafel war in Rom in den Ruinen des Iseums gefunden worden und stammte etwa aus der Mitte des 1. Jh. n.Chr. In seinem Buch befaßt er sich nicht mit den Hieroglyphen, denn er lehnt es ab, sich auf "verstiegene und meist unnütze Interpretationen" einzulassen, was die Bedeutung der Hieroglyphen angeht.
Kirchers Verdienst für die Ägyptologie ist die Wiederentdeckung des Koptischen. Der Italiener Pietro della Valle, ein Sammler koptischer Handschriften, verschaffte Kircher die Gelegenheit sein Material auszuwerten. So publizierte Kircher 1636 seine Einführung ins Koptische oder Ägyptische( Prodromus Coptus sive Aegyptiacus) und 1643 die Wiederherstellung der ägyptischen Sprache (Lingua Aegyptiaca Restituta).
Isaak Casaubon
Er untersuchte 1614 das "corpus Hermeticum" und wies nach, dass diese Traktate nicht das älteste Erbe Ägyptens waren, sondern in christlicher Zeit in Griechisch verfaßt worden waren. Die Urheberschaft wurde nur deshalb dem Gott Thot zugeschrieben, um dem Werk eine größere Bedeutung zu geben. Die Lehre von der ägyptischen Weisheit verlor damit ihr einziges Zeugnis.
Edward Stillingfleete
Der Rektor von Sutton, später Bischof von Worcester, und der oberste Förderer des Altphilologen Richard Bentley, schrieb 1662 ein Buch gegen den Atheismus. Um das populärste Argument der Atheisten zu entkräften, die Zeitrechnung der Bibel stimme nicht mit derjenigen der ältesten Nationen überein, stellte er alle weltliche Historie, einschließlich der ägyptischen in Frage. Da in seinen Augen alle nichtjüdischen Nationen Kolonien waren, die von Noahs Kindern gegründet wurden und diese Kolonien unter schwierigen Bedingungen ihre Existenz sichern mußten, könne es bei ihnen kein wirkliches Wissen geben. Da die Wertlosigkeit der hermetischen Bücher bewiesen sei, gebe es keinen Beweis mehr, dass das alte Ägypten überhaupt Weisheit besessen hätte und "all diese Hieroglyphen zusammen werden nur einen einzigen Sinn haben, und der wird sein: verlorene Arbeitsmüh"
Die Hieroglyphen wurden immer noch nicht als Aufzeichnung einer Sprache betrachtet, sondern als Symbolik. Da man mit Hilfe der antiken Schriftsteller bei einer Entschlüsselung nicht weiterkam, wollte man mit ähnlichen Schriftsystemen den Hieroglyphen auf die Spur kommen. Aufschluß erhoffte man sich vom Mexikanischen und vom Chinesischen. Die grundlegenden Prinzipien der mexikanischen Schrift waren jedoch nicht erhalten und die der chinesischen noch nicht analysiert.
Der Jesuitenpater Joseph d’Acosta hatte auf die Kompliziertheit des Chinesischen hingewiesen und auf ihre Schwierigkeiten, fremdsprachige Eigennamen wiederzugeben, da es nicht auf phonetischer Basis operiere.
John Wilkins
Der Dekan von Ripon und spätere Bischof von Chester veröffentlichte 1668 mit seinem Buch "An essay towards a real character and a philosophical language" (Abhandlungen über ein Realschriftzeichen und eine philosophische Sprache) einen Versuch für eine Universalsprache. Inspiriert wurde er durch das Chinesische, das alle Einwohner des Landes lesen konnten, egal welche Sprache sie verwendeten, weil die Symbole allgemein verständlich waren. Der Tiefgründigkeit der Hieroglyphen steht Wilkins eher skeptisch gegenüber: "Ich habe allen Grund, daran zu zweifeln, daß ihre Erforschung sehr wertvoll sein könnte, denn was man bisher über sie in Erfahrung hat bringen können, ist dürftig und unwichtig. Sie scheinen bedeutungslos zu sein, eine primitive Erfindung, wie sie diesen frühen und primitiven Zeiten zukommt: sie vertreten fast dieselbe Art des Schreibens wie das Mexikanische, ein Schreiben durch Bilder..."
Wilkins Modell von der Universalsprache scheiterte daran, dass die kleinen Bestandteile einer Sprache nicht wiedergegeben werden konnten, dadurch konnte eines der Hauptprobleme einer ideographischen Schrift aufgedeckt werden, was für die Erforschung der Hieroglyphen noch von Bedeutung sein sollte.
Die Erforschung des Koptischen machte im 18. Jh. große Fortschritte (1775 Druck von Lacrozes Wörterbuch). Die koptischen Manuskripte waren zwar fast alle kirchlichen Charakters (Liturgien, Bibelabschnitte Märtyrerleben), aber Champollion sollte ihnen später eine große Anzahl von Hinweisen auf ägyptische Orts- und Personennamen entnehmen können.
Im 18. Jh. wurde zunehmend neues Material aus Ägypten von europäischen Sammlern aufgekauft und veröffentlicht.
1692 wurde in Gegenwart des französischen Konsuls de Maillet eine Stoffbahn von einer Mumie gewickelt, in mehrere Teile zerschnitten und nach Frankreich geschickt. Eines dieser mit Bildern und tintengeschriebenen Schriftzeichen bemalten Stücke erstand der Antikensammler Jean-Pierre Rigaud, der den Fund 1704 veröffentlichte. Seinen Aufsatz illustrierte er mit der Abbildung einer gewöhnlichen Hieroglyphenschrift, für ihn "symbolisch hieroglyphisch", einer Probe aus dem Mumientext, für ihn entweder "hieratisch" oder "kyriologisch hieroglyphisch" und einer Inschrift in Stein aus seiner Sammlung, für ihn "epistolographisch". Diese letze Schrift könnte seiner Meinung nach phönizisch sein, da es sich bei dieser Schrift um eine allgemein angewandte handle. Das Koptische klammerte Rigaud aus seinen Untersuchungen ganz aus, da es rein griechischen Ursprungs sei.
Der Aufsatz ist ziemlich verworren, doch er enthält zwei wertvolle Gedanken:
1) Die hieroglyphische Schrift ist keine Geheimschrift, sondern zum Lesen an öffentlichen Monumenten gedacht, wobei es auch die Ungebildeten lesen können sollten, denen eine alphabetische Schrift fremd war.
2) Bei dem,was Clemens mit dem Begriff "erste Elemente" umschrieb, zur Bezeichnung der Bestandteile des "kyriologisch hieroglyphisch", müßte es sich um alphabetische Buchstaben handeln.
Bernard de Montfaucon
Dieser humanistische Gelehrte sammelte und publizierte alle bis dahin bekannten nicht-hieroglyphischen Inschriften. Seine Abbildungen sind leider unbefriedigend. Außerdem behandelt er die Texte, die er für Herodots "demotische", allgemeine Schrift hält, nicht sehr ausführlich.
Das Koptische sei als Sprache fast ausgestorben, aber es wäre die Sprache des Alten Ägyptens gewesen. Die koptische Schrift gebe die ägyptische Sprache in griechischen Buchstaben wieder, ergänzt durch acht zusätzliche Schriftzeichen, um Eigentümlichkeiten des Ägyptischen wiedergeben zu können. (Die Ursache der Entstehung der koptischen Schrift sah er in dem zunehmenden griechischen Einfluß nach der Eroberung Ägyptens durch Alexander). Montfaucon äußert die Hoffnung, dass diese zusätzlichen Schriftzeichen im kursiven Ägyptisch identifiziert werden könnten und dadurch die ägyptische Schrift entschlüsselt werden könnte, umso leichter da die Sprache durch das Koptische ja bereits teilweise bekannt sei. Ihre Literatur zu lesen, hielt er für nützlich, da die Ägypter Lehrmeister der Griechen gewesen wären, wie Griechenland für Rom.
William Warburton
Der spätere Bischof von Gloucester publizierte ein Buch über die göttliche Sendung von Moses, aufgezeigt an den Grundlehren eines gläubigen Deisten, aus dem Fehlen eines zukünftigen Lebens von Belohnung und Bestrafung in der jüdischen Ordnung: "The divine legation of Moses demonstrated on the principles of a religious deist, from the omission of a future state of reward and punishment in the Jewish dispensation"
Eine seltsame Methode, die göttliche Natur von Moses Auftrag zu beweisen, für Warburton jedoch ganz logisch: Für das Funktionieren einer Gesellschaft sind Belohnung und Bestrafung in einem späteren Leben unerläßlich. Da diese Vorstellung in der jüdischen Religion nicht auftaucht, muß die Gesellschaftsordnung von einer besonderen Vorsehung Hilfe erhalten, also göttlichen Ursprungs sein.
Das vierte seiner neun Bücher beschäftigt sich mit dem Alten Ägypten und zwar hauptsächlich, um es gegen die Anschauungen von Isaac Newton zu verteidigen. Newton hatte nämlich in einer Chronologie über die Weltgeschichte (erschienen 1728) für die Erfindung des Handwerks durch Dädalus das Jahr 989 v.Chr. berechnet und für den Bau der Pyramiden die Jahre 838, 824 und 808 v.Chr. So absurd Newtons Chronologie auch war, so hatte sie doch bis hin zu Champollions Zeit noch Anhänger.
Auch für Warburton lag die Bedeutung Ägyptens in der Gelehrsamkeit, insbesondere im Staatswesen und in der Gesetzgebung, denn die Griechen hätten eindeutig von den Ägyptern gelernt. Waburtons Theorie war, dass Menschen zuerst durch Laute kommunizieren und dann - um etwas Dauerhaftes zu schaffen und sich über Entfernungen hinweg zu verständigen - durch Zeichen. Eine Bilderschrift ist die einfachste Methode, die die Mexikaner am weitesten entwickelt haben. Aber die Unbequemlichkeit eines allzu großen Umfang, läßt die intelligenteren Menschen Methoden erfinden, um die Schrift abzukürzen. Die Verkürzung kann dabei in drei Erscheinungsformen vollzogen werden:
(Für Warburton ist damit auch die Geschichte der Schrift von der Figur zum Buchstaben erklärt, denn "Laute statt Dinge auszudrücken, ist nur die konsequente Kürzung einer großen Menge von Zeichen")
Die ägyptischen Hieroglyphen waren folglich nicht zur Geheimhaltung gedacht, sondern zum allgemeinen Gebrauch. Allerdings wurde die Schrift im Laufe der Zeit immer unverständlicher, da immer weitere Analogien und Vergleiche einer immer weitere Verfeinerung in die Schrift brachten, die sich so von ihren schlcihten Anfängen fortentwickelte z.B. die Sonne dargestellt durch einen skarabäus mit einer Kugel zwischen seinen Zangen.
Eben dieser Prozeß habe vermutlich zum alphabetischen Schreiben geführt. Aus dem Wunsch nach Klarheit und Enideutigkeit habe der Sekretär eines ägyptischen Königs die alphabetische Schrift erfunden, was laut Warburton nicht sehr schwer war, da ein Repertoire willkürlicher Zeichen ja schon in der Hieroglyphenschrift existiert hat. Im ägyptischen Verwaltungsapparat hätte diese Schrift wohl als Geheimcode verwendet worden, bis das Wissen durchgesickert wäre, denn Herodot erwähnte, dass die nichthieroglyphische Schrift öffentlich sei. Die Priesterschrift, die Clemens als alphabetisch beschreibt, erwähnt Herodot jedoch nicht d.h. die Priesterschrift ist die jüngste Schrift und entwickelte sich wohl aus der früheren alphabetischen Schrift, weil diese allgemein bekannt und somit kein Geheimnis mehr war.
Warburton wollte auch den Beweisa für das hohe Alter der ägyptischen Zivilisation liefern. Der Schlüssel lag für ihn in der Datierung der Hieroglyphen. Sie würden in der Entwicklung des ägyptischen Schreibens in der mitte liegen, schon vor der Einführung des alphabetischen Schreibens und vor der Erfindung des Tierkultes (die Tierverehrung war nur auf Ägypten beschränkt und bezog sich nicht nur auf Nutztiere und auch nicht nur auf existierende Tierarten, sondern auch auf Pflanzen, was sie mit der Hieroglyphensymbolik gemeinsam hat. Deshalb muß der tierkult von den Hieroglyphen abgeleitet sein.). Aber schon alphabetisches Schreiben und Tierkult existierten zur Zeit des Exodus, denn Moses führte das alph. Schreiben mit sich und hielt es für nötig, den Tierkult zu verbieten. Die symbolischen Hieroglyphen müssen also vor Moses entstanden sein und deshalb müssen die Ursprünge derägy. Zivilisation bedeutend früher leigen, da sich die Hieroglyphen ja langsam weiterentwickeln mußten.
Mit seinem Buch schuf Warburton die geistige Grundlage für ägyptologische Untersuchungen und selbst Champollion hielt ihn für den ersten Einsichtigen Mann, der sich mit diesem Thema beschäftigt hätte.
Abbé Barthélemy
Er stimmte den Grundgedanken von Warburtons Theorie über die ägyptische Schrift zu und konnte als Mitarbeiter an der Publikation der Inschriften aus der Sammlung des Comte de Caylus die Beziehungen zwischen dem hieroglyphischen und dem alphabetischen System überprüfen. Die These einige Zeichen der Hieroglyphenschrift seien in die alphabetische übernommen worden, konnte er eindeutig bestätigen.
Die große Anzahl verschiedener Zeichen in der hieratischen Schrift steht eigentlich in Widerspruch zu einer alph. Schrift. Barthélemy vermutete, die ägyptisch-hieratische Schrift folge ähnlichen Prinzipien wie die äthiopische, die zwar nur 26 Buchstasben hat, aber durch Anfügen von Vokalzeichen und Silbenzeichen auf insgesamt 202 Zeichen kommt.
Barthélemy stellte auch die Vermutung auf, dass die Kartuschen die Namen von Göttern oder Königen beinhalten könnten. Allerdings kam er darauf durch zwei falsche Beobachtungen: er dachte, im alphabetischen Text eine Art kursive Form der Kartusche wiederentdeckt zu haben und außerdem hielt er die Hieroglyphen in den Kartuschen für unterschiedlcih von denen im übrigen Text.
Comte de Caylus
Der französische Adelige und Offizier, reiste nach seinem Abschied von der Armee sehr viel. Er förderte klasizistische Zeichner und rief die Technik der enkaustischen Malerei (Einbrennen von Wachsfarben auf Marmor- oder Holztafeln) ins Leben. Außerdem bot seine Sammlung hieroglyphischer und nichthieroglyphischer Texte eine umfassende Materialbasis für die Gelehrten, auch noch für Champollion. Fast genauso wichtig wie die Sammlung war sein Streben exakte Reproduktionen zu bekommen.
Carsten Niebuhr
Der dänische Gelehrte und Vater des berühmten Althistorikers schuf sehr genaue Kopien der Hieroglyphen, aber auch Kopien der Inschriften von Poersepolis, die die Entzifferung der Keilschrift ermöglichten. Er hatte sich mit den Hieroglyphen so vertraut gemacht, dass er sie mit der selben Leichtigkeit wie Griechisch oder Arabisch schreiben könne. Infolgedessen bewies er, dass der Begriff Hieroglyphen nicht für die großformatigen Figurrn gebraucht werde, sondern ausschießlich für die kleinen Zeichen in schriftartiger Anordnung.
Niebuhr konnte auch zum ersten Mal eine Tabelle der Hieroglyphen vorlegen, keine vollständige, wie er wußte, aber eine Basis zur Beurteilung der Gesamtzahl der Zeichen und deren Variationsmöglichkeiten.
Georg Zoëga
Der dänische Gelhrte schrieb auf Anregung von Papst Pius VI. Sein Buch De origine et us obeliscorum (Vom Ursprung und Sinn der Obelisken) sollte 1797 in seinem Wohnort Rom erscheinen. Darin wollte er alle Belege antiker Autoren und moderner Forscher zusammenstellen und untersuchen, soweit sie die Obelisken behandelten. Zoëga is äußerst objektiv und enthält sich jeglicher Mutmaßung ohne eine gesicherte Bestätigung. Auch war er frei von der Voreingenommenheit, dass jüdische Volk hätte durch göttlichen Plan eine Sonderrolle in der Menschheitsgeschichte. Zoëga war von der schrittweisen und anonymen Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft überzeugt (Evolution war damals noch nicht erfunden). Deswegen betrachtete er Warburtons Theorie von der Entwicklung der darstellenden Hieroglyphen zu symbolischen Bildern als bedeutende Leistung. Auch er hielt den Ursprung der alph. Schrift in Ägypten, doch er hilet es für unwqahrscheinlich, dass dies ein einzelner Mann erfinden konnte. Man muß nicht nur eine Unmenge von Lauten in der Sprache analysieren, sondern auch die Sprache in ihre Bestandteile (Wörter, Silben, Laute) zerlegen. Die Schaffung des Alphabets muß in langsamer Entwicklung vor sich gegangen sein und könne darum auch nur den Ursprung in einer einzelnen Nation haben (tatsächlich gegen alle alph. Schriften, die wir kennen auf eine kleine Gruppe benachbarter Staaten im Nahen Osten zurück.)
In der Frage der Datierung stimmte Zoëga mit Warburton überein: er hielt die "demotische" oder allg. Schrift für vormosaisch und die "hieratische", heilige für eine Später erarbeitete Schrift der Priester zur Verfeinerung oder zur Geheimhaltung.
Den Inhalt der Hieroglypheninschriften hielt Zoëga wie Warburton für Bereichte historischer Taten, wie es auch zuverlässige antike Autoren berichteten. Allerdings hielt es Zoëga auch für möglich, dass diese ihrerseits falsche Informationen bekommen hätten. Dann liege kein schlüssiger Beweis vor, was die Obelisk-Inschriften wirklich enthielten.
Zoëga schuf auch einige sichere Ausgangspunkte für weitere Forschungen:
Zoëga lieferte damit wertvole Hinweise für weitere Forschungen, auch wenn sein einziger Versuch eine hieroglyphische Inschrift zu übersetzen, nicht besonders eindrucksvoll war.
Im Mai 1798 starteten 60 oder mehr französische Gelehrte und Wissenschaftler von Toulon aus zu einer Expedition nach Ägyten. Napoleon wollte mit diesem Feldzug die englische Vorherrschaft in Indien brechen und die Wissenschaftler sollten die Weisheit der Alten Welt erobern. Trotz Schwierigkeiten (Rebellionen, fast die Versenkung der französischen Flotte) kann das Unternehmen als Erfolg gewertet werden, da zahlreiche genaue Reproduktionen hieroglyphischer Texte nach Frankreich gelangten. Der berühmteste archäologische Fung war der Stein von Rosette. Dieser Stein ist ein Triskript d.h. eine Inschrfit in drei verschiedenen Schriften: Hieroglyphisch (=offizielle Monumentalschrift), Demotisch (=einheimische Schrift) und Griechisch (= Schrift und Sprache der Besatzer). Der Inhalt ist ein Dekret zu Ehren von Ptolemaios V.
Silvestre de Sacy
Der Professor für Arabisch an der Akademie für moderne orientalische Sprachen in Parsi schrieb einen der ersten und besten Aufsätze über den Stein von Rosette: Lettre à Citoyen Chaptal (Brief an den Bürger Chaptal). de Sacy war berühmt durch seine Entzifferung des Sassanidischen. Er galt als Kenner des Arabischen und beherrschte auch das Koptische.
Bei der Bearbeitung des Steins von Rosette schloß er zunächst den hieroglyphischen Text aus, da er am meisten zerstört war und nur 14 Zeilen erhalten und ide nicht mal vollständig. Er konzentrierte sich auf den ägyptischen Text, der aus 42 Zeilen bestand und bis auf einige Zeilenanfänge komplett erhalten war.
Der erste Schritt sollte die Identifizierung der Eigennamen sein. Ihre ungefähre Textstelle würde der griechische Text verraten, vor allem bei Namen die mehrmals auftraten. Wenn in der griechischen Schreibweise eines Namens ein und derselbe Buchstabe mehrmals auftrat, dürfte das wohl auch in der ägyptischen Fassung der Fall sein und so zu Identifizierung führen. Dann könnte man möglicherweise vom Bekannten auf unbekanntes schließen, indem man häufiger vorkommende Worte des griechischen Textes herausfilterte (Gott, König, Sohn), die im Ägyptischen vermutlich Ähnlichkeit mit den koptischen Wörtern auswiesen.
Die Vorgehensweise war sehr vernünftig, doch de Sacy wurde durch einen Irrtum ganz zu Anfang zur falschen Lösung geführt. Er übertrug die Zeichengruppe für "Ptolemaios" auf "aftuulma" und kam so zu völlig falschen Buchstaben.
Allerdings bemerkte de Sacy richtig, dass der ägyptische Text viel mehr Zeichen enthielt als die von Plutarch erwähnten 25 Buchstaben. De Sacy versuchte als Lösung anzubieten, dass die Buchstaben vielleicht je nach Stellung im Wort ihre Form änderten.
Johan David Akerblad
Der schwedische Diplomat und Orientalist hatte von de Sacy eine Kopie der Inschrift auf dem stein von Rosette bekommen und wandte diesselbe Methode an, indem er zuerst Eigennamen identifizierte. Es gelang ihm, ein Dutzend Namen zu lesen, doch der Versuch sein Alphabet auf den übrigen Text anzu wenden sscheiterte. Akerblad publizierte seinen Lösungsvorschlag in einem Brief an de Sacy und die Übersetzung des Demotischen blieb lange Zeit, in diesen halbgeleisteten Zustand.
de Sacy
1808 besprach de Sacy eine Reihe von Aufsätzen seines früheren Schülers Etienne Quatremère, der das Verhältnis zwischen dem Koptischen und dem Altägyptischen untersuchte. De Sacy stimmte seiner These bei, dass die Unabhängigkeit einer Sprache nicht so sehr ihr Wortschatz beweise, als vielmehr ihre grammatikalische Struktur. De Sacy zog außerdem den Schluß, daß sich die koptische Grammatik gewisse Rudimente ihres hieroglyphischen Ursprungs bewahrt habe: der Plural eines Wortes unterscheidet sich vom Singular nur durch ein einsilbiges Präfix, die Unterscheidung des Genus wird durch ein eigenes Wort angezeigt (entweder duch einen vorangestellten Artikel oder ein nachgestelltes Wort für männlich oder weiblich) und die verschiedenen Fälle werden nicht durch Flexion, sondern durch vorgestellte Partikel angezeigt, Konjugationsformen, die Zeit und Person angeben, haben das Aussehren unabhängiger Wörter und können vor oder nach dem jeweiligen wort stehen. Auch die Wortneuschöpfung durch aneinanderreihung wäre ähnlich: met-ref-er-pet-ôou = Eigenschaft-einer-Person-die-tut-was-schlecht-ist = Bosheit, Tücke.
Aus diesen Beobachtungen schloß de Sacy, dass das Koptische ursprünglich gar keine Flexionen besessen habe, sondern aus unveränderlichen Worteinheiten, was genau das Prinzip einer in hieroglyphischen Zeichen geschriebenen Sprache zugrunde wäre, denn jede Hieroglyphe stehe für ein Wort und sei unveränderlich (eine "hieroglyphische Sprache" wäre sehr kurios, doch sie ist die logische Konsequenz der damaligen Auffassung, Schreiben sei die direkte Fixierung von Sprache).
Eine andere Vermutung leitete de Sacy 1811 vom Chinesischen ab. Diese ideographische Schrift hatte Schwierigkeiten in der Schreibung fremdsprachiger Eigennamen. So waren sie manchmal gezwungen, ein spezielles Zeichen anzuwenden, um zu zeigen, dass die Zeichen beim Gebrauch in einem eigennamen auf ihren einfachen = phonetischen Wert beschränkt sind. "Ich vermute, dass im hieroglyphischen Text auf dem Stein von Rosette die Linie, die jeweils eine Reihe von Hieroglyphen umfaßt, dieselbe Funktion hat."
Diese Deutung der Kartuschen ist zwar nicht ganz richtig, doch sollte sie zu Champollions erster Lösung und damit zur eigentlcihen Entzifferung führen.
Thomas Young
Thomas Young ist ein hervorragender Physiker und hat auch wichtige politische Ämter inne. Trotz seines Mißerfolgs behauptet er bis zu seinem Tode, er habe die Hieroglyphen entziffert und lehnt die erfolgreichere Methode von Champollion ab.
Young beschäftigte sich nur ein knappes Jahr, nämlich 1814 mit dem Stein von Rosetta, der 1801 als die Franzosen die Schlacht bei Alexandria gegen die Engländer verloren, nach London gebracht worden war.
Young geht davon aus, daß das Demotische eine alphabetische Schrift sei und die großeAnzahl verschiedener Schriftzeichen erklärt er damit, dass es verschiedene Formen für ein und denselben Buchstaben gegeben habe. Er hoffte, einige von Akerblad ermittelte Lautwerte würden sich nicht nur in Eigennamen, sondern auch im übrigen Text als richtig erweisen und versuchte bestimmten Buchstabengruppen, die im griechischen Text häufig auftauchen, entsprechende Gruppen im demotischen Text zuzuordnen. Z.B. Er liebte Pferde über alles; und er sorgte täglich für die Pferde. Before all he liked horses; and for the horses he cared every day. Das einzige Hauptwort, das in beiden Sätzen vorkommt ist "Pferde" und auch jemand der nicht englisch kann, wird die englische Übersetzung für Pferde herausfiltern können.
Young gibt diesen Weg bald auf und nimmt an, dass die demotische Schrift wie die Chinesische vielleicht nur bei fremdsprachigen Lauten phonetischen Charakter besäße. Er tritt in einen Briefwechsel mit de Sacy und beklagt seine entmutigenden Ergebnisse. Die griechischen Schriftsteller hätten uns in die Irre geführt, denn die demotische Schrift sei gar nicht alphabetisch, sondern viele demotische Schriftzeichen gleichen eher den Hieroglyphen. Deshalb müsse man zuerst mit den Hieroglyphen anfangen und dann zu dem davon abgeleiteten Demotischen fortschreiten.
Seit diese Brief an de Sacy scheint Young auf diesem Gebiet keinerlei echte Forschungsarbeit mehr geleistet zu haben, denn seine weiteren Publikationen sind nur ein Wiederholen seiner früheren Interpretationen.
Jean François Champollion
Kopie S. 78 - 96
Exkurs: Die Entzifferung von anderen Schriften
Die Keilschriften